Burgtiefe – Orth – Bagenkop

Go West 

In den vielen Tagen mit Starkwind gucke ich mehrfach täglich in die Windvorhersage, in der Hoffnung, es möge doch endlich etwas abflauen. Doch der Wind tut mir nicht diesen Gefallen und ich bleibe eine weitere Nacht in Burgtiefe. Die Nachbarn Gisela und Jörg von der SY „Marjellchen“ aus Lübeck, versuchen mich davon zu überzeugen, doch wieder nach Osten zu fahren, nach Nysted auf der Insel Lolland und dann weiter durch den Guldborgsund ins Smalandsfahrwasser. Nach einem Blick in die Karte weiß ich, dass das für mich nicht in Frage kommt. Dafür müsste ich einen Großteil der Strecke, die ich nach Westen gut gemacht habe, wieder aufgeben und eine sichere Wassertiefe von nur 1,8 m über 20 Seemeilen im Sund ist mir auch nicht geheuer. 

Getreu dem Motto „Das Leben ist kein Halbwindkurs!“ will ich weiter gegenan nach Westen. Dabei tut sich ein weiteres Hindernis auf: wegen des Ukrainekrieges ist in diesem Jahr auch während der Ferien Betrieb im Schießgebiet in der Kieler Bucht, das ich auf dem Weg zur Schlei umständlich umfahren müsste. Also geht es weiter nach Nordwesten in die Dänische Südsee.

Am 11. Juli hat der Wind tatsächlich soweit nachgelassen, dass ich wieder unterwegs sein kann. Es wird eine wunderbare Kreuz nördlich des Fahrwassers bei besten Bedingungen. Nur direkt unter der Fehmarnsundbrücke hindurch werfe ich für 10 Minuten den Jockel an. Nach der letzten Wende gleitet das Boot durch türkisgrünes Wasser in der Orther Bucht. Dort liegen schon einige Boote vor Anker und hinter mir kommen ein paar Boote unter Motor Richtung Hafen. Es ist kurz vor 14 Uhr und ich hoffe, dass ich in dem vergleichsweise kleinen und sehr hübschen Hafen von Orth noch einen Liegeplatz bekomme. Ich fahre in den Kanal und suche die westliche Mole nach einem Liegeplatz ab. Es gibt 3 leere Plätze, von denen einer rot ist. Hinter mir erreicht das nächste Boot den Hafen. Nun muss es schnell gehen: wenden und zurück zu dem vorletzten freien Platz neben einem größeren Motorboot. Hilfsbereit werden meine Leinen angenommen. Was für ein schöner Ort(h) mit Blick Richtung Leuchtturm Flügge. Im hinteren Teil des Hafens gibt es viele kleine Stege und einige speicherähnliche Gebäude, Vereinsgebäude mit Sanitär, ein bisschen Gastronomie und viele kleine Grillplätze auf dem Grünstreifen der Westmole. An diesem Tag fahren noch so einige Schiffe in den Hafen ein, davon die meisten auch wieder heraus. Einige größere Yachten machen längsseits an der Pier fest, sodass es am Abend dort mehrere Päckchen gibt. Viele andere entschließen sich, in der Bucht zu ankern oder versuchen es in Lemkenhafen. Es ist voll ohne überlaufen zu sein. 

Am nächsten Morgen lege ich noch vor 8 Uhr ab, da ich wieder eine etwas längere Strecke vor mir habe. Bagenkop auf der Südspitze der dänischen Insel Langeland ist mein Ziel. Das erste Stück muss ich wieder aufkreuzen, bis etwa eine Meile an das Schießgebiet heran, wo ich schon das Sicherungsschiff erkennen kann. Dann geht es in gewohnter Weise auf Steuerbordbug mit Pissbogen-Anlieger Richtung Langeland. Hier draußen fahren die richtig großen Pötte. Haushohe Containerschiffe fahren von Ost nach West oder West nach Ost den Kiel-Ostsee-Weg entlang. Dank AIS kann ich auch auf die Entfernung ganz gut einschätzen, dass keins der Schiffe für mich zum Problem wird. 

Das Erste, was ich von Langeland sehe, sind Windräder, dann der Leuchtturm an der südöstlichen Spitze. Mittlerweile haben mich einige Segler überholt, viele fahren gleich weiter nach Marstal. Aber mir reicht es für heute, der Wind und auch die Welle haben etwas zugenommen. Vor dem Hafen rolle ich die Fock weg und werfe den Motor an, um das Großsegel zu bergen. Leider kann der Autopilot das Boot bei der Welle nicht im Wind halten und fängt wild an zu piepen. Das Heck knallt ein paar Mal in die Welle und dann ist der Motor schlagartig aus und lässt sich auch nicht wieder starten. So ein Mist, wieder endet ein perfekter Segeltag im Stress. Ich rolle die Fock wieder aus und eiere etwas unentschlossen Richtung Hafeneinfahrt. Ich weiß, dass es ein etwas größeres Becken gibt, von dem aus früher (bis 1999) eine Fähre nach Kiel fuhr. Das Fischereibecken, kann von Sportbooten nicht genutzt werden und der Sportbootteil ist etwas verwinkelt und an diesem Nachmittag auch schon gut gefüllt. Zu guter Letzt bugsiert mich ein Fischer mit dem Bug zum Wind längs an die Pier im Vorhafen. Hier liege ich erstmal recht geschützt und kann mich in Ruhe mit dem Motor auseinandersetzen. 

Für das Liegegeld gibt es einen Automaten, aber kurz vor 17 Uhr erwische ich noch den Hafenmeister in seinem Büro. „Auf welchem Liegeplatz liegst du?“ Ich: „Auf keinem, ich liege vorne an der Pier, der Motor ging nicht.“ Er: „Ok, und wie lang ist das Boot?“ Ich: „8 Meter.“ Er: „Also 7,99 m…ist günstiger.“ Ich: „Ok, dann 7,99 m.“ Später kommt er auf seiner Runde bei mir vorbei, begutachtet den Motor und stellt – wie ich es schon öfter von anderen Leuten gehört habe – fest: „Das ist ein älteres Modell, das geht nicht so einfach kaputt.“ Er empfiehlt mir Reiner vom Angelbootverleih, falls ich es alleine nicht wieder hinkriege. Zumindest heute Abend wird es nichts mehr. Ich lasse mich an der Pier bis ganz in die Ecke durchsacken, damit vor mir noch weitere Boote festmachen können. Die fangen auch gleich noch den Schwell etwas ab und ich liege ruhiger. Im Innenhafen sind an den beiden Stegen noch einige Plätze frei, die von der Größe her super passen würden, aber da komme ich vorerst nicht hin. Für größere Boote hingegen wird der Platz tatsächlich knapp, zumal man über 45 Fuß hier auch schlecht rangieren kann. Vor mir liegen dann ein Däne und zwei Holländer mit großen Schiffen und auf der anderen Seite dann noch ein Zweimaster aus Finnland und eine große Yacht aus Hamburg.

Am nächsten Morgen bin ich wieder früh wach, denn das große Ablegen hat schon begonnen. Um etwa 14 Uhr soll nämlich der Wind auf eine eher unangenehme Stärke aufdrehen und dann auch ein paar Tage durchpusten. Ich hoffe, dass ich mein Motorproblem schnell gelöst kriege und auch heute noch zumindest bis nach Marstal komme. Aber daraus wird nix. Der Motor lässt sich zwar nochmal starten, aber beim zweiten Versuch schon wieder nicht mehr. Die Öffnungszeiten am Angelshop scheinen sich als Gleitzeit zu verstehen, jedenfalls vergeht mehr als der halbe Tag, bis ich diesen Reiner sprechen kann und weitere 2 Stunden, bis sein Sohn sich den Motor ansehen kann. Er bekommt ihn natürlich zum Laufen, ich weiß nach wie vor nicht so richtig, was ich falsch mache.

An der Pier machen nun wieder neue Boote fest. Direkt vor mir helfe ich einem Paar ihre Reinke „Rock’nRoll“ mit Heimathafen Bremen festzumachen. Später laden sie mich auf einen Anleger an Bord ein. Es stellt sich heraus, dass Egon der kommissarische Vorsitzende des Trans Ocean e.V. ist und so haben wir jede Menge Gesprächsstoff. Wir unterhalten uns so angeregt, dass Susanne es fast nicht mehr schafft vor Ladenschluss zum Brugsen zu laufen, um einzukaufen. Zwischendurch kommt Jan, der Hafenmeister, auf seiner Runde vorbei und als ich ihm zurufe, dass ich zwar schon für die folgende Nacht bezahlt, nur die Marke noch nicht am Bugkorb befestigt habe, meint er, das sei das letzte Mal, dass ich bezahlen müsse, die nächsten stürmischen Tage würde ich frei liegen. 

In der Nacht ist es deutlich unruhiger als in der davor, es ist viel mehr Wind und auch viel mehr Schwell, der bis an die Pier läuft, an der mein Rubinchen längsseits liegt. Am nächsten Morgen werde ich von einem komischen Geräusch an Deck geweckt. Als ich kurz nach 7 Uhr aus der Koje krieche, finde ich eine Tüte mit frischen Brötchen im Cockpit. Auf der Reinke ist Susanne schon in vollem Ölzeug dabei, das Ablegen vorzubereiten. Von ihr stammt die Brötchenwurfsendung, als Abschied, sagt sie, weil sie nicht wusste, ob ich schon wach seien würde, wenn sie ablegen. Furchtbar lieb! Kurze Zeit später rauscht die Reinke mit zweitem Reff im Groß und ohne Vorsegel mit 5 Ktn (laut AIS) Richtung Kiel und in den Nord-Ostsee-Kanal. 

Ich warte den späten Vormittag ab, wo es etwas abflaut und verhole mich nach zwei eher schaukeligen Nächten in den Innenhafen. Ich erkunde den Ort, laufe zur Tankstelle am Ortsausgang, um meinen kleinen Kanister wieder aufzufüllen und informiere mich über die Abfahrtzeiten des Buses nach Rudkøbing. Dorthin mache ich am nächsten Tag einen Tagesausflug und gucke mir die Stadt an. Der Stadtrundgang ist gut ausgeschildert und führt von der Innenstadt zum Hafen und zurück durch kleine Gassen, einen Park und hübsche Hinterhöfe.

Einen weiteren Vormittag verbringe ich damit, die als Touristenhighlight angepriesenen Wildpferde zu suchen, aber da muss in dem Flyer ein Druckfehler sein, statt einer Herde von 60 Tieren sehe ich gerade mal 6, obwohl ich in knapp zwei Stunden einmal um das gesamte Gelände herumwandere. Am letzten Tag auf Langeland mache ich einen Fahrradausflug zum Leuchtturm Keldsnor Fyr und dem angrenzenden Vogelschutzgebiet. Die Steine am Strand sind von der Sonne schön aufgewärmt und man kann die Fähre von Oslo nach Kiel beobachten. 

Nach einer weiteren knappen Woche im Hafen, soll es morgen nun endlich weitergehen zu den Inselchen der Dänischen Südsee. Der Wind für die kommende Woche ist recht vielversprechend und die Entfernungen zwischen den einzelnen Inseln betragen meist nur wenige Meilen. 

Nun geht das Inselhüpfen los!

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