Nyborg – Kerteminde – Kolby Kås – Mårup (Samsø)

Es fällt mir nicht schwer, Nyborg zu verlassen, auch wenn ich noch ein paar schöne Ecken gefunden habe. Zuerst geht es Richtung Osten aus der Bucht heraus, südlich von Knudshoved und am alten Fährhafen vorbei zum westlichen Teil der Großen Belt Brücke. Die maximale Durchfahrtshöhe des westlichen Brückenteils beträgt 16,9 m im bezeichneten Fahrwasser. Es gibt einen Brückenbogen nach Norden und einen Brückenbogen nach Süden. Bei der Durchfahrt muss man die Fahrtrichtung des TSS einhalten, unter den Bögen daneben darf auch gekreuzt werden. Je nach Höhe des Mastes kann man die Brücke also auch jenseits des offiziellen Fahrwassers passieren. Auf dem Weg zur Brücke werde ich immer langsamer, zum einen lässt der Wind nach, zum anderen komme ich aus der Abdeckung und gerate in die südsetzende Strömung. Die Geschwindigkeit sinkt unter einen Knoten. Ärgerlich. Eigentlich wollte ich es schaffen, die Brücke zu durchsegeln, nun muss ich meinen Motor bemühen. Bei etwa 1 ktn Strom motore ich mit 2,5 ktn durch die Brücke. Direkt nördlich rolle ich die Fock wieder aus und mache ein paar Holeschläge unter Land, bis ich Kerteminde direkt anliegen kann. Nun kommt der Neerstrom unter Land zum tragen. Mit Schrick in der Schot und kaum Ruderdruck mache ich bis zu 6 ktn Fahrt. Ein breites Grinsen in meinem Gesicht. Eine Strecke von 20 sm ist für solche Bedingungen viel zu kurz. Beim Ansteuern von Kerteminde muss ich mich etwas konzentrieren. In der letzten Woche sollen hier einige Yachten auf die im Bau befindliche südliche Steinmole aufgelaufen sein, weil sie die Sperrtonnen ignoriert oder übersehen hatten. Da ich den Hafen sowieso noch nicht kenne, halte ich mich gleich nördlich. Der Hafen ist recht beliebt und auch schon gut gefüllt, durch die Bauarbeiten stehen wohl weniger Liegeplätze als sonst zur Verfügung. Und noch sind Ferien in Dänemark. Nach einiger Suche finde ich wieder einen maßgeschneiderten Platz. Der Hafen ist schön angelegt mit vielen Grillplätzen, guten Sanitäranlagen und einem Strand ganz in der Nähe. Außerdem gibt es einen Yachtausrüster und eine hübsche kleine Innenstadt. Supermarkt und Tankstelle sind fußläufig zu erreichen. Auf der Suche nach einem Abendessen laufe ich am Stadthafen entlang, wo gerade die Thor Heyerdahl festgemacht hat. Gegenüber liegt der Fischereihafen, wo es eine Räucherei geben soll. Die hat allerdings schon geschlossen. Ein Stück weiter finde ich ein Bistro mit verschiedenen Fischgerichten. Es ist ein schöner Sommerabend und es ist gut besucht. Ein älterer Herr spielt auf einem Akkordeon dänische Seemannslieder; es ist sehr gemütlich. Ich fühle mich wohl hier, also bleibe ich noch eine weitere Nacht, die allerdings recht unruhig wird. Neben mir hat ein Boot einer dänischen Pfadfindergruppe festgemacht und Bordwand an Bordwand feiern die Jugendlichen bis 3 Uhr nachts. Der Alkohol zeigt den Jungs ihre Grenzen auf. Am nächsten Morgen brechen sie etwas überstürzt mit den anderen Booten ihrer Gruppe auf und vergessen dabei ihr Landstromkabel einzusammeln. Sie versuchen mit Macht und an meinen Seezaunstützen rumbiegend aus der Box zukommen. Während ich sie – die unruhige Nacht im Hinterkopf – wüst beschimpfe und ihre Kabeltrommel 30 Zentimeter über dem Wasser schwebt, erkennen sie, was sie da am Ablegen hindert und werden ganz kleinlaut. 

Auch ich breche zu meiner nächsten Etappe zur Insel Samsø auf und bin erstmal recht langsam unterwegs, weil wenig Wind ist. Ein etwa gleich großes Boot überholt mich. Auf Höhe der Insel Remsø wird es noch flauer und ich warte auf den Wind, der gegen 13 Uhr und etwas südlicher kommen soll. Mein Kontrahent kommt mir nun unter Motor entgegen und ruft mir zu, dass er aufgibt und zurück nach Kerteminde fährt. Ich halte durch und werde tatsächlich mit dem versprochenen Wind aus Südost belohnt. Auf Samsø gibt es vier Häfen, zwei auf der Ostseite und zwei auf der Westseite. Der Hafen in Ballen im Südosten der Insel hat Kultstatus und soll immer ziemlich überfüllt sein. Da es nun schon später Nachmittag ist und die Wahrscheinlichkeit für einen guten Liegeplatz dort somit deutlich gesunken ist, entscheide ich mich für den südwestlichen Hafen Kolby Kås. Auch hier gibt es ein stillgelegtes Fährbecken und daran anschließend ein kleines Becken mit zwei Stegen, an denen Gäste festmachen können. An der langen Mole können größere Yachten längsseits anlegen. Der Ort bietet nicht viel: einen Selbstbedienungsgemüsestand, an dem ich Erdbeeren kaufe, eine kleine Campingfläche, einen Garagenkiosk und einen tollen Blick auf den Sonnenuntergang. Ich koche an Bord. Zur gleichen Zeit legen drei Boote mit jungen Leuten aus Hamburg an der Mole an. Sie erinnern mich in ihrer Crewzusammensetzung ein wenig an unsere ASV-Studenten. Auch sie turnen über alle drei Boote, kochen und essen gemeinsam und beschließen dann wegen des schönen Südwindes noch am selben Abend weiter nach Aarhus zu fahren. Was nun folgt, finde ich ziemlich spektakulär: ohne Nutzung eines Motors legen alle 3 Boote unter Spi wieder ab und verlassen den Hafen. Ganz kontrolliert und ohne Stress. Vom Nachbarsteg gibt es Szenenapplaus. Ich wandere noch mal auf die Mole und fotografiere den Sonnenuntergang. Am nächsten Vormittag fahre ich mit dem Fahrrad etwas über die Insel, es gibt mal wieder einen Leuchtturm zu besichtigen, diesmal kann er sogar bestiegen werden. Auf dem Rückweg zum Hafen biege ich auf einen Campingplatz ab, wo ich mir ein Eis erhoffe, aber leider nicht fündig werde. Es ist ein toller Platz mit Pool, Trampolinen und wahnsinnig vielen anderen Spielangeboten für Kinder. Doch trotz der dänischen Ferien stehen nur eine handvoll Wohnmobile auf dem Platz. Das soll die Hochsaison sein? 

Gegen 14 Uhr lege ich ab, um in das etwa 10 Seemeilen nördlich liegende Mårup zu fahren. Der wenige Wind kommt weiterhin aus Süd und ich segle nur unter Gennaker mit 2,5 Knoten. Im Wasser schwimmen Massen an Feuerquallen. In einigem Abstand tauchen immer wieder einige Schweinswale auf und pusten. Wenn das Wasser fast glatt ist, kann man sie am besten sehen. Auf dem Weg nach Mårup kreuze ich das Fahrwasser der Fähre zwischen Hou auf dem Festland und der Insel Samsø. Dank des AIS, das ich im Zuge meines Elektroprojektes im Frühjahr noch eingebaut habe, kann ich die Fähren auf dem Bildschirm viel früher sehen, als auf dem Wasser und auch viel besser abschätzen, wie dicht wir uns begegnen werden und ob ich vielleicht sogar meinen Kurs ändern muss. Die Berufsschifffahrt hat immer Vorfahrt und mit so einer Fähre legt man sich besser nicht an; im besten Fall wird man böse angehupt. Der Wind schläft zwei Seemeilen vor dem Hafen komplett ein, also muss wieder der Motor ran. 

Der Hafen von Mårup ist mit 70 Liegeplätzen klein und gemütlich. Die Boxen sind breit und länger als die Gasse breit ist. Das führt dazu, dass die größeren Yachten schlecht in die Boxen kommen und millimetergenau arbeiten müssen. Mit viel Getöse der Bugstrahlruder, Leinenarbeit und Hilfe von den Stegen findet aber jeder einen Platz. Auch in diesem Hafen gibt es alles, was man braucht: eine Seglerstube mit Kochmöglichkeit, viele Grillplätze, Waschmaschinen, eine kleine Gastronomie und einen Strand. Der eigentliche Ort liegt ca. 1,5 Kilometer entfernt. Dort gibt es einen Supermarkt, eine Tankstelle, drei Cafés und viele Sommerhäuser. 

Am nächsten Morgen laufe ich in den Ort und weiter auf die Ostseite der Insel durch eine Siedlung mit Sommerhäusern zu einem weißen, menschenleeren Strand. Hier liege ich bestimmt zwei Stunden im warmen Sand und blinzle immer mal wieder aufs Wasser hinaus. So habe ich mir den dänischen Sommer vorgestellt. Das Wetter ist super, bisher hat es auf der gesamten Reise kaum geregnet, Socken und feste Schuhe habe ich seit Wochen nicht getragen, dafür lösen sich meine Birkis langsam auf. Meine Haare sind richtig blond geworden und ich bin so braun, dass selbst meine Ohrstecker helle Abdrücke auf meinen Ohrläppchen hinterlassen haben. Ich liebe den Sommer, wenn man morgens nur in T-Shirt, Shorts und Latschen schlüpfen muss und damit bestens angezogen ist. 

In Dänemark braucht man mittlerweile eigentlich kein Bargeld mehr.  In jedem noch so kleinen Geschäft kann man mit Karte zahlen. Oder mit MobilePay, das man aber nur nutzen kann, wenn man ein dänisches Konto hat. Auf Samsø braucht man aber dringend Kleingeld, denn auf der von Landwirtschaft geprägten Insel gibt es vor den Höfen viele Gemüsestände mit Kasse des Vertrauens, an denen man sich mit frischem Obst und Gemüse und Blumen eindecken kann. 

Als ich am nächsten Tag mit dem Fahrrad in den Norden der Insel zu einem Aussichtspunkt fahre, riecht es sehr nach Zwiebeln, die auf dem Feld am Straßenrand gerade in großem Stil geerntet werden. Ich kämpfe mit den vielen Hügeln, aber auf der Nordspitze angekommen werde ich von einem tollen Blick aufs Kattegat belohnt. Auf dem Rückweg halte ich im Ort Nordby und stelle mich in eine unglaublich lange Schlange am Eisladen an und genieße dann das Eis auf einer Wiese am Dorfteich. Abends am Hafen grille ich eine Gemüsepfanne mit Feta und ein paar Steaks, die Grillplätze werden dabei nachbarschaftlich geteilt, so kommt man auch mit den anderen Crews leicht ins Gespräch. Es herrscht eine schöne Stimmung. Insgesamt bleibe ich vier Tage in Marup. Nebenbei beschäftige ich mich meiner weiteren Route. 

Ich möchte möglichst weit nach Norden kommen, wenn es der Wind zulässt. Noch immer bin ich etwas argwöhnisch wegen meines Außenborders, obwohl er mir zuletzt keine Probleme mehr gemacht hat, zuverlässig angesprungen ist und ich mittlerweile auch weiß, wie ich ihn mit ein paar Tricks doch noch dazu überreden kann anzuspringen. Die viele gelobte Insel Anholt wäre ein schönes nördlichstes Ziel, aber die Berichte über die Überfüllung des Hafens schrecken mich doch etwas ab. Außerdem möchte ich kein Risiko eingehen irgendwo einzuwehen, weil ich Mitte August in einem Hafen mit guter Zuganbindung sein will, um zur Beisetzung nach Deutschland zu fahren.

Thurø – Rudkøbing – Nyborg

Vorweg: Nun ist es schon einige Wochen her, dass ich es geschafft habe, hier etwas zu schreiben. Nicht, weil ich nichts erlebt habe oder keine Zeit hatte, weil ich zu sehr mit Segeln beschäftigt war. In der Woche zwischen der Abfahrt aus Bagenkop und den zwei Tagen in Rudkøbing gab es schlechte Nachrichten von zu Hause: meine Großeltern waren beide krank und mein Opa ist in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli im Krankenhaus verstorben. Die letzten Wochen waren also etwas schwer. Das Segeln hat mir wie immer geholfen, den Kopf frei zu kriegen, das Schreiben hingegen habe ich immer wieder aufgeschoben, weil natürlich nichts ist, wie vorher. 

Vom schönen Hafen auf Thurø trenne ich mich schon nach einer Nacht, noch vor 9 Uhr, da reichlich Wind angesagt ist, der am Nachmittag noch zunehmen soll. Die 7-8 Meilen von Thurø nach Rudkøbing fahre ich deshalb nur unter Fock und bin bei mitlaufendem Strom trotzdem zügig unterwegs. Strömung – ein Phänomen, das ich aus den Gewässern um Rügen eher weniger kenne – wird mich in den nächsten Wochen vermehrt beschäftigen. 

Unterwegs winkt man mir zu und lobt Rubin als „schicken Oldie“. Überhaupt wird meine kleine Hiddensee erstaunlich häufig in den Häfen als „dieses DDR-Boot“ identifiziert.

Hinaus aus dem Svendborgsund geht es nach Südosten, das Fahrwasser in Richtung der Brücke zwischen Tåsinge und Langeland kann ich genau anliegen und unter Segel passieren. Ein kurzer Schreck als das Segel durch die Abdeckung der Brücke einfällt und mich genau in diesem Moment direkt unter der Brücke auch noch jemand überholen muss. Dahinter der nächste Schreck: ohne die Abdeckung der Insel Tåsinge steht hier schon ganz schön Welle und wie ich mittlerweile weiß, ist Welle der Feind meines Motors. Das hatte ich irgendwie nicht auf dem Schirm. Ich versuche so weit wie möglich vor die Hafeneinfahrt zu segeln, bevor ich den Motor anwerfe. Als hätte ich es gewusst, knallt er wieder zweimal in die Welle und verstummt. Ich bin mittlerweile dicht vor der Einfahrt, muss aber noch zwei Tonnen umfahren, um mich von der Steinmole freizuhalten. Diesmal muss es schnell gehen, es bleibt keine Zeit zu Zweifeln oder Angst zuzulassen. Ich handle wie automatisch, lasse den Motor Motor sein – den kriege ich jetzt sowieso nicht so einfach wieder an – rolle einen kleinen Zipfel der Fock wieder aus und halse in die Hafeneinfahrt. Direkt hinter der Mole gibt es große Boxen, die genau zum Wind gerichtet sind. Ich mache zwei Männer auf mich aufmerksam, die kurz darauf meinen Bugkorb am Steg abfangen, sogar für eine Heckleine reicht die Zeit noch. Herzklopfen. Ich atme auf, gleichzeitig fluche ich. 

Da ich so früh schon wieder angekommen bin, bleibt genug Zeit, um Wäsche zu waschen und ein paar Kleinigkeiten einzukaufen, bevor ich am späten Nachmittag mit dem Fahrrad quer über die Insel nach Spodsbjerg fahre. Der Weg führt etwas hügelig hauptsächlich durch Felder und Wiesen. In Spodsbjerg treffe ich Kirsten und Thorsten und gemeinsam weihen wir Thorstens seit zwei Jahren durch die Gegend geschaukelten Grill ein und stellen zum wiederholten Male fest, dass kaum eine Grillwurst an die Hahn’sche grobe Bratwurst herankommt. Es wird ein schöner Abend. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit strample ich gegen Wind und Hügel zurück nach Rudkøbing. Am nächsten Tag kommen Kirsten und Thorsten mit geliehenen Fahrrädern auf die Westseite der Insel und wir essen Eis und machen einen kleinen Stadtbummel. Ich bin froh, etwas Ablenkung zu haben. 

Die Tarja-Crew wird sich am folgenden Tag langsam wieder auf den Rückweg ihres Urlaubstörns machen und für mich geht es weiter nach Norden. Es sind wieder ein paar Tage mit viel Wind vorhergesagt, daher suche ich mir einen Hafen in einer Stadt, von der ich mir erhoffe, dort einige Tage mit Landausflügen beschäftigt zu sein. Es folgt ein nahezu perfekter Segeltag. Bei achterlichem Wind geht es den Großen Belt hinauf. Mit ausgebaumter Genua komme ich erstmal nur mäßig schnell voran. Dann entscheide ich mich, etwas nach Osten anzuluven und etwas mehr Strecke in Kauf zu nehmen, dafür kann ich dann über 10 Seemeilen mit Gennaker segeln. In Sichtweite von Lohals starte ich mehrere Versuche, das bunte Segel zu halsen, aber irgendwann muss ich Schadensbegrenzung betreiben und es bergen, bevor es sich zu oft um die aufgerollte Genua gewickelt hat. Als von Süden eine dunkle Front heranrollt, in der ich Wind vermute, berge ich auch das Großsegel, doch der Wind bleibt aus, dafür regnet es tatsächlich ein bisschen. Mit Erreichen von Nyborg ist aber alles bereits wieder getrocknet. Nun beginnt die Liegeplatzsuche. Ich lege mich an Steg 0 in die erstbeste grüne Box, in die ich mit 2,84 m Breite gerade so hineinpasse. Steg 0 ist sehr weit ab vom Schuss, die Nachbarboote wirken ungepflegt und verwaist und ich habe besten Blick auf ein Kraftwerk, dessen Abgase ich nach kurzer Zeit auch schon rieche. Zu Fuß laufe ich die übrigen Stege ab und stelle fest, dass viele Plätze rot markiert oder sehr schmal sind. An einem der Stege vor dem neu errichteten Hafenkontor finde ich eine grüne Box, die breit genug sein könnte. Also lege ich wieder ab und fahre ein paar Stege weiter zu dieser Box und…bleibe stecken. Also wieder rückwärts raus und ein weiterer Versuch in einer anderen Box an einem anderen Steg. Wieder bleibe ich stecken. Mitleidig wird mir angeboten längsseits an einem anderen Boot am Kopf des Steges festzumachen, aber ich verhole mich erstmal wieder in die Box an Steg 0. Am nächsten Tag wird mir die Entscheidung, doch noch einen besseren Platz zu suchen, von einem eislutschenden Hafenmitarbeiter abgenommen, der das grüne Schild an meiner Box auf rot dreht. Wieder laufe ich über die Stege und suche nach einer freien, ausreichend breiten Box. 

Mich wundert nun nicht mehr, warum der Hafen mit den angeblich fast 800 Liegeplätzen so leer scheint: in vielen Boxen käme gerade mal ein schmales H-Boot unter, eher noch ein Kanu. Eigentlich könnte man fast jeden zweiten Pfahl ziehen, um vernünftig dimensionierte Liegeplätze zu schaffen. Schöner würde es den Hafen mit den hochmodernen Glas-Beton-Häusern im Norden aber auch nicht machen. Auch in Dänemark wohnen die Leute eben gerne am Wasser und bezahlen gut dafür. Dem Stadtbild hat man damit aber keinen Gefallen getan. Neben dem Yachthafen gibt es noch einen mittleren Hafen, in dem größere Yachten längs von einigen Schwimmstegen zwischen den modernen Bauten festmachen können und auch im alten Hafen liegen eher große Segel-und Motoryachten.

Mit etwas besserem Augenmaß finde ich an Steg 3 endlich einen Liegeplatz, direkt neben dem Mast mit dem Wlan-Verstärker. Nun habe ich Zeit mit dem Fahrrad die Stadt zu erkunden. 

Überall ist noch Deko für die Durchfahrt der Tour de France aufgebaut. In der kleinen Fußgängerzone stehen viele alte Fahrräder, die gelb, grün oder rot-weiß-gepunktet angesprüht wurden. Im Tourismusbüro erfahre ich, dass man nicht alleine auf die kleine Insel Sprogø in der Mitte der Großen-Belt-Brücke kommt und die geführten Touren dorthin bereits ausgebucht sind. Man empfiehlt mir aber den Aussichtspunkt am Fuß der Brücke.

Den nächsten Vormittag hänge ich im Hafen rum, raffe mich gegen Mittag aber auf, in die Stadt zu gehen. Ich gehe thailändisch essen und schaue mir dann das Schloss, das wegen Bauarbeiten gerade geschlossen ist, zumindest von außen an und wandere durch die Wallanlagen und entlang der Kanäle. Am folgenden Tag fahre ich mit dem Rad zum ehemaligen Fährhafen, der seit dem Bau der Großen-Belt-Brücke nun von Tauchern zum Üben benutzt wird. Die Natur hat sich die Flächen, auf denen früher die Autos Schlange standen, bereits wieder zurückerobert. Ich laufe bzw. fahre beide Molen jeweils bis zum Ende und fotografiere, es ist ein bisschen ein „Lost Place“. Dann mache ich noch einen kleinen Abstecher zum Leuchtturm Knudshoved und fahre dann zur Aussichtsplattform unter der Brücke. Ein paar Verrückte schwimmen hier in Neopren in der Strömung und versuchen mit Harpunen Fische zu fangen. Auf dem Rückweg finde ich auf der nördlichen Seite der Brücke einen schönen Strand, wo ich noch etwas in der Sonne sitze.

Mein nächster Zielhafen weiter nördlich auf Fünen ist Kerteminde. Vorher muss ich aber unter der Großen-Belt-Brücke durch und das kann je nach Strömung und Windrichtung kniffelig werden.

Bagenkop – Marstal – Drejø – Thurø

(Dänische) Südseeinseln bei Südseewetter

Ich starte zeitig Richtung Marstal, nicht weil es so weit ist, sondern weil der beliebte Hafen trotz seiner immensen Größe immer seeeehr voll sein soll. 9 Seemeilen mit halbem Wind sind schnell gesegelt und der Motor funktioniert. Das muss er auch, denn das Einlaufen in den Hafen von Marstal in einer langen Lagune wäre sonst wohl nicht möglich gewesen. Schon um kurz nach 10 Uhr finde ich am vorletzten Steg einen ausreichend dimensionierten Liegeplatz. Die Öffnungszeit des Hafenbüros habe ich gerade so verpasst, also bleibt Zeit zum Aufräumen und um eine Kleinigkeit zum Mittag zu organisieren. Später fahre ich mit dem Rad durch den Ort, sitze eine Weile an der Hafeneinfahrt und beobachte die Schiffe. Der Hafen ist wirklich groß: im Nordwesten der Fähranleger, dann die Pier, an der Traditionssegler im Päckchen liegen, dann das kleine Fischereibecken, dann die Werft mit Slip und dann 10 Stege für Motorboote und Segelyachten. Danach wird es flach und nach Süden wird die Lagune durch eine Landzunge begrenzt, auf der niedliche bunte Badehäuschen stehen. Marstal hat viele alte Häuser, oft Fachwerk, bunt angestrichen, davor Stockrosen in allen erdenklichen Farben. Man merkt dem Ort seine Seefahrervergangenheit an. Das Seefahrtsmuseum erstreckt sich über drei Gebäude und eine riesige Freifläche, zudem gibt es im ganzen Hafen verteilt Infotafeln zur Geschichte und den ehemaligen Werften. Als ich zurück zum Boot komme, ist der Hafen voll. An den Stirnseiten der Stege liegen die großen Yachten mit den Bugspitzen zum Steg im Kreis, kleinere, schmale Boote liegen zu zweit in einer Box und immer noch fahren meist größere Boote in den Hafen und suchen jede Gasse nach einem Liegeplatz ab. Letztlich findet jeder eine Übernachtungsmöglichkeit und sei es nur außen noch irgendwo drangebunden. Ich entscheide mich, einen weiteren Tag zu bleiben, da für den folgenden Tag so gut wie kein Wind und 30°C vorhergesagt sind. 

Bereits vor dem Aufstehen am nächsten Tag habe ich neue Nachbarn. Die frei werdenden Plätze werden umgehend von den Päckchenliegern wieder aufgefüllt. Für mich beginnt der Tag mit einem kleinen Bootsbauprojekt. Da die Halterung von meinem selbstgeschnitzten Flaggenstock zu brechen droht, besorge ich mir beim lokalen Ausrüster eine neue Halterung samt Flaggenstock und eine neue Nationale. In der Fußgängerzone gibt es außerdem einen fantastischen Eisenwarenladen, in dem man wirklich alles findet: von der Nagelschere bis zum Gummistiefel, von der kleinsten Schraube bis zum Mikrowellenofen; es gibt einfach alles. Der Laden ist eng und vollgestellt und in manchem Gang bin ich mir nicht sicher, ob das noch der Laden ist oder schon das Lager. Ich kaufe einen doppelten Landstromadapter, denn nicht nur die Liegeplätze im Hafen sind knapp, sondern auch die Stromanschlüsse. Bei den sommerlichen Temperaturen hält die Kühlbox ohne Strom nicht lange durch. Den Rest des Tages verbringe ich antizyklisch. Nachmittags ins leere Seefahrtsmuseum statt an den vollen Strand, dann abends an den leeren Strand, so richtig erfrischend ist das Bad in der flachen Lagune aber nicht.

Am folgenden Tag will ich auf die Insel Drejø. Kleine Insel, kleiner Hafen, also nicht zu spät losfahren. Die Abfahrt verzögert sich um ca. 45 min, weil ich zum Starten des Motors mal wieder eine dritte Hand brauche. Ich segle vorbei an der noch kleineren Insel Birkholm nach Norden, nach Drejø und komme dort zeitgleich mit drei anderen Booten an. Zwei bekommen noch eine Box, der dritte Segler beginnt ein Päckchen an einer großen Yacht an der Pier. Ich lege mich als drittes Boot ins Päckchen, ein weiterer Segler beginnt ein Päckchen an einem Motorboot dahinter. Es stellt sich heraus, dass das innenliegende Boot nur für einen Tagesausflug festmacht und um 15 Uhr wieder ablegen will. Das wird lustig. Da das Ablegen von 4 der 6 Boote dann in der gleichen Reihenfolge stattfindet, tüddeln wir einige Zeit mit den Leinen, dann bilde ich für die Nacht ein Päckchen mit der Yacht „Madonna“, deren dänischer Eigner sehr um mein Wohl besorgt ist. Er leiht mir ein Verlängerungskabel (wegen der Kühlbox…) und eines seiner Fahrräder, damit ich meins nicht über zwei Boote an Land wuchten muss. Auf der Insel gibt es nur einen Ort und ein paar versprengte Häuser mit zwei Kiosken und einem Gartencafe. Vor vielen Häusern gibt es etwas gegen Kasse des Vertrauens zu erwerben: Kirschen, bemalte Steine, Selbstgestricktes oder Erfrischungsgetränke aus einem Kühlschrank am Wegesrand. Nach dem Abendessen fahre ich zur kleinen Steilküste und treffe unterwegs gerade mal zwei Menschen. Die letzte Fähre mit Tagestouristen fuhr um 18:30 Uhr.

Für den nächsten Tag bin ich unentschlossen, wie ich weiterfahren will. Eigentlich wollte ich nach Skarø, eine Insel die nur 5 Seemeilen entfernt und berühmt für ihr Eis ist (1 Kugel 5€, 2 Kugeln 6€).  Während ich die Karte studiere, bietet mir der Nachbar an, frische Brötchen aus dem Ort mitzubringen, doch ich habe bereits gegessen. Wegen des zunehmenden Westwindes und falls ich in Skarø keinen Platz finden sollte, ziehe ich in Erwägung nach Rantzausminde oder Troense zu fahren, doch der Nachbar empfiehlt mir den Thurø-Bund, dort sei in der Walstedt-Werft sein Boot gebaut worden. Nachdem er vom Brötchenholen zurück ist, schrauben wir gemeinsam noch etwas an der Leerlaufdrehzahl meines Motors und er erzählt mir, dass er noch ein weiteres Boot zum Regattasegeln (BB10m) besitze und gerade überlege, ob er ein baugleiches, also ein drittes, aus Greifswald kaufen solle. Mit Trailer und in besserem Zustand als sein jetziges Regattaboot sei das ein Schnäppchen.

Nach dem Ablegen fahre ich erstmal Richtung Skarø. Im Fahrwasser muss man hier auf die Fähren, die zwischen den kleinen Inseln fahren, Acht geben. Die kabbelige Welle erinnert mich etwas an die Boddenwelle. Da es gut läuft, fahre ich doch nicht nach Skarø, sondern in den Svendborgsund. Der Himmel ist inzwischen aufgezogen und mit dem Westwind plus Strömung segelt es sich hier bestens. Mir wurde gesagt, es sei eng hier, aber jeder, der das behauptet, kennt das Hiddenseefahrwasser nicht. Ich unterquere die Brücke über den Sund, passiere den Yachthafen und fahre auf die Docks zu. Hier gibt es südlich eine Untiefentonne. Ich gucke vielleicht ein bisschen zu viel in der Gegend umher, als es plötzlich ein Geräusch gibt, als würde eine Welle an etwas brechen. Vier Meter voraus sehe ich auch diese Welle. Leichte Panik! Befinde ich mich etwa auf der falschen Seite der Tonne? Wieder ein Schnauben und Platschen. Es ist „Delle“, der Svendborgdelfin, der mir diesen Schreck eingejagt hat. In Flipper-Manier schwimmt und springt er zwischen den Booten auf die Brücke zu. Ich hatte davon gelesen, dass sich seit einigen Jahren ein Delfin hier zu Hause fühlt, aber in diesem Moment hatte ich das nicht erwartet. Beim Filmen muss ich aufpassen, dass ich nicht wirklich gegen die Untiefentonne fahre.Vorbei an den Docks macht der Svendborgsund einen Knick nach Süden und mit ein bisschen Fahrt und 1,3 Knoten Strom geht es entlang des grünen Ufers mit malerisch gelegenen Häusern zur kleinen Insel Thurø, die mit Fünen über einen kleinen Damm verbunden ist. Die Insel hat die Form eines geöffneten Hundemauls. In der dadurch entstehenden tiefen Bucht kann man wohl super ankern, ich mache aber bei den kleinen Fischerhäuschen am Nordufer der Bucht beim Thurø Sejlclub fest. Hier gibt es erstaunlich viele freie Liegeplätze unterschiedlicher Größe, ein Vereinsheim mit Küche, Gemeinschaftsraum und Sanitär, das genutzt werden kann. An die 40 Optis und andere Jollen zeugen von einer aktiven Jugendabteilung. Die insgesamt behindertengerechte Anlage mit entsprechendem Parkplatz und Rampen zum Vereinsheim und auf den Stegen ermöglichen inclusives Segeln in der 2.4m-Klasse, von denen es hier 5 Boote gibt. Der Verein hat vier J-70, mit denen wöchentlich nach Zulosung des Bootes regattiert wird. Es gibt ein Schwimmponton und es stehen sogar SUPs und Kajaks zur freien Nutzung zur Verfügung. Hier fühle ich mich wohl; es ist ruhig, landschaftlich superschön mit dem Blick auf den vorgelagerten Iholm und die Insel Tåsinge und hier herrscht kein Schaufahren der großen und noch größeren Luxusyachten. Unter den einheimischen Booten sind viele GFK-Klassiker in der Größe zwischen 7 und 12 Metern, also ähnlich wie im ASV. Der Ort Thurø By liegt oberhalb des Hochufers, das man über viele kleine Treppen oder eine sehr steile Straße erklimmen kann. Um die Kirche herum gibt es einige alte Fachwerkhäuser, ansonsten hat man eher das Gefühl eines Vorortes von Svendborg mit einem großen Neubaugebiet mit vielen modernen Einfamilienhäusern. Es gibt einen Kebapladen, einen Supermarkt, ein Restaurant und eine kleine Brauerei und wenn man an der Kirche vorbei wieder bergab geht, kommt man an einen weiteren Hafen, der aber nur für kleine Motorboote tauglich ist. Vom Segelclub aus gibt es einen versteckten Weg am Ufer entlang, der bis zur Walstedt-Werft führt.

Zurück an Bord koche ich ein Curry und verabrede mich mit der Tarja-Crew für den nächsten Abend zum Grillen auf Langeland. Thorsten und Kirsten sind gerade auf Omø und wollen morgen nach Spodsbjerg auf der östlichen Seite von Langeland, ich werde noch einmal – diesmal mit dem Boot und nicht mit dem Bus – runter nach Rudkøbing auf der westlichen Seite von Langeland fahren. Ich freue mich sehr auf das Treffen.

Burgtiefe – Orth – Bagenkop

Go West 

In den vielen Tagen mit Starkwind gucke ich mehrfach täglich in die Windvorhersage, in der Hoffnung, es möge doch endlich etwas abflauen. Doch der Wind tut mir nicht diesen Gefallen und ich bleibe eine weitere Nacht in Burgtiefe. Die Nachbarn Gisela und Jörg von der SY „Marjellchen“ aus Lübeck, versuchen mich davon zu überzeugen, doch wieder nach Osten zu fahren, nach Nysted auf der Insel Lolland und dann weiter durch den Guldborgsund ins Smalandsfahrwasser. Nach einem Blick in die Karte weiß ich, dass das für mich nicht in Frage kommt. Dafür müsste ich einen Großteil der Strecke, die ich nach Westen gut gemacht habe, wieder aufgeben und eine sichere Wassertiefe von nur 1,8 m über 20 Seemeilen im Sund ist mir auch nicht geheuer. 

Getreu dem Motto „Das Leben ist kein Halbwindkurs!“ will ich weiter gegenan nach Westen. Dabei tut sich ein weiteres Hindernis auf: wegen des Ukrainekrieges ist in diesem Jahr auch während der Ferien Betrieb im Schießgebiet in der Kieler Bucht, das ich auf dem Weg zur Schlei umständlich umfahren müsste. Also geht es weiter nach Nordwesten in die Dänische Südsee.

Am 11. Juli hat der Wind tatsächlich soweit nachgelassen, dass ich wieder unterwegs sein kann. Es wird eine wunderbare Kreuz nördlich des Fahrwassers bei besten Bedingungen. Nur direkt unter der Fehmarnsundbrücke hindurch werfe ich für 10 Minuten den Jockel an. Nach der letzten Wende gleitet das Boot durch türkisgrünes Wasser in der Orther Bucht. Dort liegen schon einige Boote vor Anker und hinter mir kommen ein paar Boote unter Motor Richtung Hafen. Es ist kurz vor 14 Uhr und ich hoffe, dass ich in dem vergleichsweise kleinen und sehr hübschen Hafen von Orth noch einen Liegeplatz bekomme. Ich fahre in den Kanal und suche die westliche Mole nach einem Liegeplatz ab. Es gibt 3 leere Plätze, von denen einer rot ist. Hinter mir erreicht das nächste Boot den Hafen. Nun muss es schnell gehen: wenden und zurück zu dem vorletzten freien Platz neben einem größeren Motorboot. Hilfsbereit werden meine Leinen angenommen. Was für ein schöner Ort(h) mit Blick Richtung Leuchtturm Flügge. Im hinteren Teil des Hafens gibt es viele kleine Stege und einige speicherähnliche Gebäude, Vereinsgebäude mit Sanitär, ein bisschen Gastronomie und viele kleine Grillplätze auf dem Grünstreifen der Westmole. An diesem Tag fahren noch so einige Schiffe in den Hafen ein, davon die meisten auch wieder heraus. Einige größere Yachten machen längsseits an der Pier fest, sodass es am Abend dort mehrere Päckchen gibt. Viele andere entschließen sich, in der Bucht zu ankern oder versuchen es in Lemkenhafen. Es ist voll ohne überlaufen zu sein. 

Am nächsten Morgen lege ich noch vor 8 Uhr ab, da ich wieder eine etwas längere Strecke vor mir habe. Bagenkop auf der Südspitze der dänischen Insel Langeland ist mein Ziel. Das erste Stück muss ich wieder aufkreuzen, bis etwa eine Meile an das Schießgebiet heran, wo ich schon das Sicherungsschiff erkennen kann. Dann geht es in gewohnter Weise auf Steuerbordbug mit Pissbogen-Anlieger Richtung Langeland. Hier draußen fahren die richtig großen Pötte. Haushohe Containerschiffe fahren von Ost nach West oder West nach Ost den Kiel-Ostsee-Weg entlang. Dank AIS kann ich auch auf die Entfernung ganz gut einschätzen, dass keins der Schiffe für mich zum Problem wird. 

Das Erste, was ich von Langeland sehe, sind Windräder, dann der Leuchtturm an der südöstlichen Spitze. Mittlerweile haben mich einige Segler überholt, viele fahren gleich weiter nach Marstal. Aber mir reicht es für heute, der Wind und auch die Welle haben etwas zugenommen. Vor dem Hafen rolle ich die Fock weg und werfe den Motor an, um das Großsegel zu bergen. Leider kann der Autopilot das Boot bei der Welle nicht im Wind halten und fängt wild an zu piepen. Das Heck knallt ein paar Mal in die Welle und dann ist der Motor schlagartig aus und lässt sich auch nicht wieder starten. So ein Mist, wieder endet ein perfekter Segeltag im Stress. Ich rolle die Fock wieder aus und eiere etwas unentschlossen Richtung Hafeneinfahrt. Ich weiß, dass es ein etwas größeres Becken gibt, von dem aus früher (bis 1999) eine Fähre nach Kiel fuhr. Das Fischereibecken, kann von Sportbooten nicht genutzt werden und der Sportbootteil ist etwas verwinkelt und an diesem Nachmittag auch schon gut gefüllt. Zu guter Letzt bugsiert mich ein Fischer mit dem Bug zum Wind längs an die Pier im Vorhafen. Hier liege ich erstmal recht geschützt und kann mich in Ruhe mit dem Motor auseinandersetzen. 

Für das Liegegeld gibt es einen Automaten, aber kurz vor 17 Uhr erwische ich noch den Hafenmeister in seinem Büro. „Auf welchem Liegeplatz liegst du?“ Ich: „Auf keinem, ich liege vorne an der Pier, der Motor ging nicht.“ Er: „Ok, und wie lang ist das Boot?“ Ich: „8 Meter.“ Er: „Also 7,99 m…ist günstiger.“ Ich: „Ok, dann 7,99 m.“ Später kommt er auf seiner Runde bei mir vorbei, begutachtet den Motor und stellt – wie ich es schon öfter von anderen Leuten gehört habe – fest: „Das ist ein älteres Modell, das geht nicht so einfach kaputt.“ Er empfiehlt mir Reiner vom Angelbootverleih, falls ich es alleine nicht wieder hinkriege. Zumindest heute Abend wird es nichts mehr. Ich lasse mich an der Pier bis ganz in die Ecke durchsacken, damit vor mir noch weitere Boote festmachen können. Die fangen auch gleich noch den Schwell etwas ab und ich liege ruhiger. Im Innenhafen sind an den beiden Stegen noch einige Plätze frei, die von der Größe her super passen würden, aber da komme ich vorerst nicht hin. Für größere Boote hingegen wird der Platz tatsächlich knapp, zumal man über 45 Fuß hier auch schlecht rangieren kann. Vor mir liegen dann ein Däne und zwei Holländer mit großen Schiffen und auf der anderen Seite dann noch ein Zweimaster aus Finnland und eine große Yacht aus Hamburg.

Am nächsten Morgen bin ich wieder früh wach, denn das große Ablegen hat schon begonnen. Um etwa 14 Uhr soll nämlich der Wind auf eine eher unangenehme Stärke aufdrehen und dann auch ein paar Tage durchpusten. Ich hoffe, dass ich mein Motorproblem schnell gelöst kriege und auch heute noch zumindest bis nach Marstal komme. Aber daraus wird nix. Der Motor lässt sich zwar nochmal starten, aber beim zweiten Versuch schon wieder nicht mehr. Die Öffnungszeiten am Angelshop scheinen sich als Gleitzeit zu verstehen, jedenfalls vergeht mehr als der halbe Tag, bis ich diesen Reiner sprechen kann und weitere 2 Stunden, bis sein Sohn sich den Motor ansehen kann. Er bekommt ihn natürlich zum Laufen, ich weiß nach wie vor nicht so richtig, was ich falsch mache.

An der Pier machen nun wieder neue Boote fest. Direkt vor mir helfe ich einem Paar ihre Reinke „Rock’nRoll“ mit Heimathafen Bremen festzumachen. Später laden sie mich auf einen Anleger an Bord ein. Es stellt sich heraus, dass Egon der kommissarische Vorsitzende des Trans Ocean e.V. ist und so haben wir jede Menge Gesprächsstoff. Wir unterhalten uns so angeregt, dass Susanne es fast nicht mehr schafft vor Ladenschluss zum Brugsen zu laufen, um einzukaufen. Zwischendurch kommt Jan, der Hafenmeister, auf seiner Runde vorbei und als ich ihm zurufe, dass ich zwar schon für die folgende Nacht bezahlt, nur die Marke noch nicht am Bugkorb befestigt habe, meint er, das sei das letzte Mal, dass ich bezahlen müsse, die nächsten stürmischen Tage würde ich frei liegen. 

In der Nacht ist es deutlich unruhiger als in der davor, es ist viel mehr Wind und auch viel mehr Schwell, der bis an die Pier läuft, an der mein Rubinchen längsseits liegt. Am nächsten Morgen werde ich von einem komischen Geräusch an Deck geweckt. Als ich kurz nach 7 Uhr aus der Koje krieche, finde ich eine Tüte mit frischen Brötchen im Cockpit. Auf der Reinke ist Susanne schon in vollem Ölzeug dabei, das Ablegen vorzubereiten. Von ihr stammt die Brötchenwurfsendung, als Abschied, sagt sie, weil sie nicht wusste, ob ich schon wach seien würde, wenn sie ablegen. Furchtbar lieb! Kurze Zeit später rauscht die Reinke mit zweitem Reff im Groß und ohne Vorsegel mit 5 Ktn (laut AIS) Richtung Kiel und in den Nord-Ostsee-Kanal. 

Ich warte den späten Vormittag ab, wo es etwas abflaut und verhole mich nach zwei eher schaukeligen Nächten in den Innenhafen. Ich erkunde den Ort, laufe zur Tankstelle am Ortsausgang, um meinen kleinen Kanister wieder aufzufüllen und informiere mich über die Abfahrtzeiten des Buses nach Rudkøbing. Dorthin mache ich am nächsten Tag einen Tagesausflug und gucke mir die Stadt an. Der Stadtrundgang ist gut ausgeschildert und führt von der Innenstadt zum Hafen und zurück durch kleine Gassen, einen Park und hübsche Hinterhöfe.

Einen weiteren Vormittag verbringe ich damit, die als Touristenhighlight angepriesenen Wildpferde zu suchen, aber da muss in dem Flyer ein Druckfehler sein, statt einer Herde von 60 Tieren sehe ich gerade mal 6, obwohl ich in knapp zwei Stunden einmal um das gesamte Gelände herumwandere. Am letzten Tag auf Langeland mache ich einen Fahrradausflug zum Leuchtturm Keldsnor Fyr und dem angrenzenden Vogelschutzgebiet. Die Steine am Strand sind von der Sonne schön aufgewärmt und man kann die Fähre von Oslo nach Kiel beobachten. 

Nach einer weiteren knappen Woche im Hafen, soll es morgen nun endlich weitergehen zu den Inselchen der Dänischen Südsee. Der Wind für die kommende Woche ist recht vielversprechend und die Entfernungen zwischen den einzelnen Inseln betragen meist nur wenige Meilen. 

Nun geht das Inselhüpfen los!

Kühlungsborn – Burgtiefe / Fehmarn

Etwas eingeweht

Ich bin wieder fit und starte am 04.Juli zeitig aus Kühlungsborn. Den Plan, nach Wismar zu segeln, habe ich aus verschiedenen Gründen verworfen. Ich kenne die Stadt und auch die Insel Poel zumindest landseitig ganz gut und außerdem ist immer noch strammer Westwind, sodass ich mich entscheide diesen Teil der Mecklenburger Bucht zu überspringen und nordwestlich nach Fehmarn zu fahren. Ca. 25 Seemeilen bis zu den östlichen Häfen Burgstaaken und Burgtiefe sollen es in Etwa sein, ich hoffe  – mal wieder – auf einen Anlieger. 

Getränke, Snacks und Ölzeug sind bereit gelegt und ich wäge ab, ob ich das Groß mit wenig Platz aber auch wenig Welle noch im Hafen setzen sollte oder lieber mit mehr Platz aber auch mit mehr Welle draußen vor der Mole und entscheide mich für Variante 2. Es schaukelt ganz schön, aber alles geht gut und kurze Zeit später rausche ich mit gut 5 ktn unter Fock und Groß irgendwo zwischen 310° und 320° Richtung Fehmarn. Um mich herum sind bis auf die weiterhin ankernde „Baltic“ keine Schiffe zu sehen, nur ganz weit am Horizont vor mir ist ein einzelnes Segel zu erahnen. Die lange Ostseewelle lässt sich ganz gut aussteuern, aber manchmal rumst das Boot doch ganz schön in das Wellental. Ein, zweimal kommt Gischt über, die so salzig ist, dass sie klebrige Schlieren an Deck und auf den Fenstern hinterlässt. Das ist schon etwas anderes als der abgestandene Greifswalder Bodden. 

Das Segel vor mir wird größer. Da kommt mir so früh schon jemand entgegen, denke ich mir. Laut Kartenplotter habe ich das „Fahrwasser“ Richtung Wismar und Travemünde fast erreicht und das AIS zeigt mir ein einzelnes Containerschiff, das später hinter mir durchfährt. Nach 8 Seemeilen, kann ich mit zusammengekniffenen Augen erste Baumgruppen und Windräder am Horizont erkennen und auch noch deutlich größere Frachter, die noch weiter nördlich durch den Fehmarnbelt fahren. Hier ist der Revierfunk wieder recht unterhaltsam. So ziemlich jedes Schiff wird nach Tiefgang und Ziel der Reise befragt und auf die laufenden Bauarbeiten am Tunnel unter dem Belt hindurch und entsprechende Sperrzonen hingewiesen. Nach Southampton und Costa Rica soll es für einige Schiffe noch gehen und einem Schiff unter US-Flagge wünscht der Diensthabende einen „Happy Independence Day“.

Der Segler vor mir ist mittlerweile so dicht, dass ich die HANSE-typische geschwungene Welle im gerefften Großsegel erkennen kann und zu meiner Verblüffung stelle ich fest, dass das Boot in die gleiche Richtung fährt, wie ich. Es ist mir also nicht entgegengekommen, sondern ich bin die ganze Zeit aufgekommen. Mein Ehrgeiz ist geweckt. Vermutlich haben wir dasselbe Ziel. Der Wind hat inzwischen etwas gedreht, sodass ich teilweise sogar weniger als 300° fahren kann. Eine gute halbe Stunde später habe ich die Hanse überholt und halte auf die drei Hochhäuser von Burgtiefe zu. Noch etwa 7 Seemeilen. Leider flaut der Wind dann etwas ab und ich bin nur noch mit etwas über 3 ktn unterwegs. Die dunklen Wolken bringen wieder etwas mehr Wind und auch einige Tropfen mit sich und einen Dreher auf Nordwest. Nun muss ich 2 Meilen vor dem Ziel doch ein paar Wenden fahren. Die Hanse „Stine“ aus Greifswald hat ausgerefft und überholt mich auf den letzten Metern und dampft dann unter Maschine davon ins Fahrwasser. 

Ich bereite in Ruhe Fender und Leinen vor und muss nun wieder eine Entscheidung treffen: Burgstaaken oder Burgtiefe? 

Auf Empfehlung eines parallel fahrenden Skippers wähle ich die größere Marina Burgtiefe. 5 Stege und ein Rundsteg, zudem einige schwimmende Häuser und im Hintergrund feinste 70-er Jahre Architektur zur Urlauberintensivhaltung. Boote meiner Größe liegen hier an zwei sog. Jollenstegen, die natürlich vollständig belegt sind. Ich fahre in den Rundsteg und in jede einzelne Gasse, finde aber nur rot gekennzeichnete Plätze, die alle sehr groß sind, tw. über 5 Meter breit. Ich rufe den Hafenmeister an und frage nach kleineren Boxen, sehe aber währenddessen aus dem Augenwinkel am letzten Steg einen immer noch recht großen grünen Liegeplatz mit zwei Sorgeleinen. Nach einigem Getüddel und Hin und Her liege ich hier fest. 

Die kommenden Tage ist weiter Wind der Stärke 6 aus West vorhergesagt. Zuviel für mich und vor allem zu viel, um bei Strömung unter der Fehmarnsundbrücke hindurchzukommen. Also verplempere ich wieder ein paar Tage, fahre mit dem Rad in die Stadt und zum Leuchtturm und lasse meinen Büchervorrat schrumpfen. Nun ist der grobe Plan, am Sonntag Nachmittag, wenn der Wind etwas nachgelassen hat, die Brücke zu knacken und nach Heiligenhafen zu verholen. Hoffentlich das vorerst letzte Mal in eine Riesenmarina. Von dort geht es dann je nach Wind weiter Richtung Schlei oder doch endlich nach Dänemark.

Warnemünde – Kühlungsborn

LSF 50+ schützt nicht vor Corona

Am Folgetag schlafe ich aus und rechne schon damit, dass der Hafenmeister klopfen kommt, wann ich denn mein Boot vom für Multis reservierten Kopfplatz verhole. Ich mache einen Testlauf mit dem Motor und entscheide mich dann, statt nur eine andere Box zu suchen, gleich die 12 Seemeilen nach Kühlungsborn anzugehen. Bei 5 Bft aus Ost sollte das schnell zu machen sein. Die Sonne brennt und ich rüste mich mit Hut, Sonnenbrille und UV-Shirt aus. Gegen 13 Uhr verlasse ich die riesige unpersönliche 5-Sterne-Marina und bin wiedermal dankbar für meinen kleinen, beschaulichen Liegeplatz in Wieck. DAS ist wahrer Luxus.

Dank Revierfunk und AIS bin ich gut im Bilde, welche Schiffe gerade im Seekanal unterwegs sind; ich lasse einen Frachter einfahren und das Mehrzweckschiff „Arkona“ der Küstenwache ausfahren und quere dann zügig unter Genua den Seekanal nach Westen. Mit 4 bis knapp 6 Ktn geht es voran. Solange man nicht zu dicht unter Land fährt, gibt es hier keine Flachs zu beachten. Die weißen Gebäude von Heiligendamm und auch die Dächer der großen Hotelanlagen in KüBo sind schnell an Land zu erkennen. Auch die gelbe Tonne „Reede2“ lässt sich gut ausmachen. Auf dem Plotter sehe ich etwas südwestlich vor mir einen dünn gestrichelt markierten Bereich, beim Reinzoomen: ohje, Fischereigebiet. Auf dem Wasser sehe ich jetzt auch die Fähnchen und sogar die Ketten aus Schwimmkörpern zwischen ihnen. Also muss ich einen kleinen Haken schlagen, halte dann aber wieder auf die leuchtenden Dächer zu. Zwei Seemeilen vor der Hafeneinfahrt liegt wieder ein riesiges Schiff der Küstenwache vor Anker, das ich mit gebührendem Abstand südlich passiere.

Im Hafen finde ich einen freien Platz an einem der hinteren Stege, die für kleinere Boote ausgelegt sind. Das Anlegen an Fingerstegen habe ich bisher etwas gescheut, weil sie gerade Alleinseglern wenig Möglichkeit geben, mit Leinen aufzustoppen und man vorher nie so richtig weiß, wie tief man die Fender hängen muss. Liegt man aber einmal fest, ist es ganz praktisch, weil man seitlich vom Boot klettern kann. 

Die Marina ist halb so groß wie in Warnemünde, hat aber trotzdem ca. 400 Liegeplätze und den gleichen Service zu fairen Preisen. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass er kommunal betrieben wird. Direkt oberhalb der Stege gibt es zahlreiche Bars, am Wochenende Livemusik und der Strand ist in max. 5 Minuten zu erreichen.

Meine eigene Matschigkeit nach der Ankunft interpretiere ich erstmal noch als Folge meines Übernachttörns in Verbindung mit der Hitze. Schüttelfrost am Abend bestärkt mich in meiner Theorie mit dem Sonnenstich. Schnupfen und Halsschmerzen passen dann leider nicht mehr dazu. Die ersten beiden Schnelltests sind nicht auswertbar, weil der Kontrollstreifen nicht erscheint, der dritte einer anderen Firma ist dann nicht mehr fehlzuinterpretieren.

Nun sitze ich also den vierten Tag schniefend und schwitzend hier an Bord, fahre mit dem Rad ein Stück im schattigen Wald, spaziere am Strand, lese viel und schlafe noch mehr. Es wird schon besser und war auch nicht wirklich schlimm, aber die nächste Etappe von ca. 25 Seemeilen Richtung Wismar traue ich mir so dann doch nicht zu. Leider bedeutet das auch, dass ich nicht wie geplant ein paar Tage von Bord zu meinen Eltern fahren kann, um den Geburtstag meiner Großmutter zu feiern und den sommerlichen Garten zu genießen. Aber jetzt zu Hause in Greifswald in der Wohnung zu sitzen, wäre wohl noch ätzender. Hier ist es auszuhalten.

Vitte – Warnemünde

Wer ist eigentlich Caspar?

Auf Hiddensee ist es immer schön. Die Jahreszeit spielt dabei keine Rolle. Der verlassene Strand an einem stürmischen Wintertag oder der Geruch nach Gräsern, Pferden und Strandrosen im Sommer, spätestens wenn die letzte Personenfähre die Insel verlassen hat, wird es merklich ruhiger und alles ist wie immer. Hiddenseeskeptiker behaupten ja, man hätte die gesamte Insel an einem, spätestens zwei Tagen gesehen und müsse sich dann langweilen. Aber genau das macht für mich den Reiz aus. Man kann sich treiben lassen zwischen Strand und Yachthafen, das An- und Ablegen der Fähren beobachten, am Strand liegen oder laufen, durch die Dünenheide streifen, an Bord ein Buch lesen oder die Füße im Wasser baumeln lassen. Mehr braucht man doch eigentlich nicht.

Diese Punkte und die Windvorhersage waren der Grund dafür, dass es doch ein paar mehr Tage auf der Insel wurden, als anfangs angedacht. Angesagter Dauerregen (der nicht stattfand) und ein kräftiger Nordostwind, der in den Hafen stand, ließen mich daran zweifeln, dass ich es mit meinem kleinen Außenborder gut aus dem Hafen und durch das nördliche Fahrwasser auf die offene Ostsee schaffen könnte. Den Rest der Strecke bis nach Warnemünde hätte ich dann vermutlich in einigen Stunden bei Rauschefahrt abgerissen.

Mein Wunsch für meine bisher längste Einhandstrecke war ein beständiger, nicht zu starker Wind, die Richtung war mir dabei fast egal. Mit etwas konzentriertem Steuern und etwas klügerer Streckenführung hätte man es vielleicht bis Darßer Ort als Anlieger schaffen können. Ich überschlug vor Abfahrt die ungefähre Fahrzeit bei unterschiedlichen Durchschnittsgeschwindigtkeiten über die ausgezirkelten 60 sm. Im langsamsten Falle Ankunft in Warnemünde um 23 Uhr, das war aber noch viel zu optimistisch…

Ablegen mit etwas Leinenarbeit um 7 Uhr, Groß setzen in der Einfahrt des Gemeindehafens, Motor aus und vorbei am Baggerschiff nach Norden aus dem Fahrwasser. Zwei Schläge nördlich um den Dornbusch, dann der (in meinem Kopf) Anlieger nach Darßer Ort. Südlich der Ansteuerungstonne Gellen Wechsel von Fock auf Genua, mit unter 3 Knoten Fahrt wird das sonst nie etwas. Der „Anlieger“ führt mich letztlich bis gerade mal Höhe Zingst, den Rest muss ich aufkreuzen. Mit der Dimension des Greifswalder Boddens im Kopf mache ich (unnötig) lange Schläge bis fast zum Windpark EnBW Baltic 1 und komme dabei nur wenig nach Westen voran. So bin ich gegen 18 Uhr – gerade so – sehr weit nördlich von Darßer Ort und es liegen noch über 20 Seemeilen vor mir. Ab 19 Uhr nimmt der Wind merklich ab, aber immerhin kann ich jetzt etwas abfallen. Das AIS ist ausgefallen und ich gebe eine kurze Meldung an die Familie ab, dass ich unter diesen Bedingungen die Nacht durchsegeln werde. Es ist einer der längsten Tage des Jahres, wolkenloser Himmel und eigentlich bestes Segelwetter. 

Ich habe auf den Revierfunk Warnemünde Traffic umgeschaltet und kann mittlerweile die ein- und auslaufenden Fähren auch am Horizont sehen, erst die Umrisse, später sind sie hell erleuchtet. Auch nachdem die Sonne abgetaucht ist, bleibt noch lange ein orange-roter Streifen am Himmel. Ich fühle mich relativ sicher, was Begegnungen mit anderen Schiffen angeht, denn ich fahre im „inneren Bereich“, der für Schiffe größer als 20 m gesperrt ist. 

Höhe Ahrenshoop erschreckt mich ein schnaubendes Geräusch, auf den Schreck folgt Gänsehaut, denn beim zweiten Mal kapiere ich: ein Schweinswal schwimmt neugierig in meinem Kielwasser, in 2 Metern Entfernung am Heck immer hin und her, mehrfach sehe ich seine Rückenflosse auftauchen, bevor er nach ein paar Minuten zurück bleibt. 

Zwischendurch läuft das Boot wieder mit 3,5 ktn. Zu jedem Lagebericht des Revierfunks checke ich, um wieviel ich dem Zielhafen in der letzten Stunde näher gekommen bin. 

Zwischen 1 und 2 Uhr habe ich ein Müdigkeitstief und mache wieder Musik an. Das Handy muss mittlerweile an die Powerbank. Ab 2 Uhr wird es hinter mir wieder heller, während ich versuche die Molenfeuer in dem Lichtermeer in Warnemünde zu erkennen. Das rot beleuchtete Riesenrad auf der Mittelmole halte ich aus der Entfernung ebenfalls für einige Zeit für eine sonderbare Tonne. 

3 Seemeilen vor dem Ziel bummle ich noch etwas, damit es zum Einlaufen in den Hafen von Hohe Düne, in dem ich bisher erst einmal (passiv) war, noch etwas heller wird. Über dem Wasser liegt Richtung Ufer etwas Nebel. Ich rolle die Genua weg, bringe die Fender und Heckleinen aus. Bevor ich auch das Großsegel berge, werfe ich den Motor an, der schon nach kurzer Zeit wieder verstummt. Und auch nicht wieder anspringen mag, auch nicht nach einer Stunde beim zwölften Versuch. Gedanklich spiele ich durch, wie ich es bei 1 Bft unter Segeln in einen der Häfen schaffen könnte. Auch Ankern um noch mehr Zeit zum Probieren am Motor zu haben, wäre eine Option. Wer mich kennt, weiß, dass ich Option C, die Sicherheitsvariante wähle und mich von der freundlichen Crew der CASPAR „anlegen lasse“. Das ist der einzige Wermutstropfen an meinem ersten perfekt unperfekten Übernachttörn. 

69 Seemeilen in 23 Stunden von Ablegen bis Anlegen.

Ich warte bis das Hafenbüro öffnet, stelle fest, dass das happige Liegegeld eine erfrischende Dusche nicht inkludiert. Dann schlafe ich etwas. Ein Rostocker Hiddenseefreund mit Motorensachverstand ist auch schnell gefunden und so weiß ich am frühen Nachmittag, dass meinem Motor nichts Ernsthaftes fehlt. 

Ich nehme die Fähre über die Warnow und fahre zum Fotografieren eine Runde mit dem irritierenden Riesenrad. Auf der einen Seite liegt die weitläufige, steril wirkende Yachthafenresidenz, auf der anderen Seite das komplette Gegenteil, der Ortsteil Warnemünde am  mit seinen vielen kleinen Häusern, in dem sich ungeachtet von Wochentag und Ferienzeit Touristen durch die Straßen und Geschäfte schieben.

Nun müssen die nächsten Ziele abgesteckt werden, bei Ostwind sollte das nicht so schwierig werden und die Etappen auch erstmal nicht wieder so lang.                                                                               

Greifswald – Stralsund – Vitte

Große Vorhaben beginnen und enden auf Hiddensee.

Nach dem planmäßigen Ablegen am Mittwoch kurz nach 10 Uhr wurde der erste Tag im Verhältnis zur Stecke ein recht langer Segeltag. Der Wind kam nördlicher als erhofft und so wurde es eine lange Kreuz nach Stralsund. Den 17:20 Uhr-Brückenzug konnte ich dann aus 2 Seemeilen Entfernung bewundern. Daher tüddelte ich das Boot ans Leitwerk südlich der Ziegelgrabenbrücke und nutzte die Zeit bis zum nächsten Brückenzug zum Aufräumen, Fender und Leinen klarieren und zum Abendessen. Dann blieb noch genug Zeit auf dem Vorschiff zu liegen und in den Sonnenuntergang zu schauen. Um 21:30 Uhr ging ich mit nur einem weiteren Schiff durch die Brücke und fand für die Nacht einen schönen Liegeplatz im Wassersportzentrum Dänholm Nord. Nach 30 (!) sm störte mich auch der post-Mittwochsregatta-Trubel auf den anderen Stegen nicht beim Einschlafen. 

Am nächsten Morgen ließ ich es ruhig angehen, der immer noch nordwestliche Wind sollte erst nach Mittag weiter auf West drehen, was für die Passage des Hiddenseefahrwassers nicht ganz unerheblich ist. Also Ablegen erst gegen 11 Uhr. Im nördlichen Strelasund begegneten mir Peter und Anne mit „Najade“, die es offensichtlich recht eilig hatten die 12:20 Uhr-Brücke zu erreichen. Zum Winken reichte die Zeit aber noch.

Ich kreuzte wieder den Sund hoch bis zur Tonne 62 und weil der Windreher auf sich warten ließ und das Fahrwasser ab hier eng wurde, barg ich die Segel und motorte die nächsten 5 Meilen nach Norden. Nach und Nach kamen die Schiffe der 12:20 Uhr-Brücke auf und überholten mich mit ordentlich Lage am Wind. Dann endlich hatte der Wind soweit gedreht, dass auch ich mich traute, den Rest der Strecke unter Genua mit 4 ktn statt 3,5 ktn unter Motor zurückzulegen. 

Beim Anlegen in Vitte Lange Ort verursachte ich aus unerfindlichen Gründen einen kleinen Menschenauflauf; gegen den Wind reichte der Schwung nicht ganz bis zum Steg, sodass einige freundliche Herren mit kräftigem Zug an den Vorleinen etwas nachhelfen mussten.

Hier bleibe ich nun ein paar Tage, bis ich mich mich auf den langen Schlag nach Warnemünde wage. Im Moment sagen die Vorhersagen wenig Wind aus der falschen Richtung oder mehr Wind aus guter Richtung vorher. 

Meine liebste Entdeckung der letzten zwei Tage ist der Revierfunk. Mit dem neuen fest installierten Funkgerät hat Funken eine ganz neue Qualität bekommen. Ich habe das Gefühl, der Wachhabende von Stralsund Traffic sitzt neben mir, wen er seinen stündlichen Lagebericht abgibt. Neben den nützlichen Informationen gibt es auch den ein oder anderen erheiternden Dialog auf die Ohren. Vielleicht starte ich eine Rubrik „Best Of Revierfunk“…