Etwas eingeweht
Ich bin wieder fit und starte am 04.Juli zeitig aus Kühlungsborn. Den Plan, nach Wismar zu segeln, habe ich aus verschiedenen Gründen verworfen. Ich kenne die Stadt und auch die Insel Poel zumindest landseitig ganz gut und außerdem ist immer noch strammer Westwind, sodass ich mich entscheide diesen Teil der Mecklenburger Bucht zu überspringen und nordwestlich nach Fehmarn zu fahren. Ca. 25 Seemeilen bis zu den östlichen Häfen Burgstaaken und Burgtiefe sollen es in Etwa sein, ich hoffe – mal wieder – auf einen Anlieger.
Getränke, Snacks und Ölzeug sind bereit gelegt und ich wäge ab, ob ich das Groß mit wenig Platz aber auch wenig Welle noch im Hafen setzen sollte oder lieber mit mehr Platz aber auch mit mehr Welle draußen vor der Mole und entscheide mich für Variante 2. Es schaukelt ganz schön, aber alles geht gut und kurze Zeit später rausche ich mit gut 5 ktn unter Fock und Groß irgendwo zwischen 310° und 320° Richtung Fehmarn. Um mich herum sind bis auf die weiterhin ankernde „Baltic“ keine Schiffe zu sehen, nur ganz weit am Horizont vor mir ist ein einzelnes Segel zu erahnen. Die lange Ostseewelle lässt sich ganz gut aussteuern, aber manchmal rumst das Boot doch ganz schön in das Wellental. Ein, zweimal kommt Gischt über, die so salzig ist, dass sie klebrige Schlieren an Deck und auf den Fenstern hinterlässt. Das ist schon etwas anderes als der abgestandene Greifswalder Bodden.
Das Segel vor mir wird größer. Da kommt mir so früh schon jemand entgegen, denke ich mir. Laut Kartenplotter habe ich das „Fahrwasser“ Richtung Wismar und Travemünde fast erreicht und das AIS zeigt mir ein einzelnes Containerschiff, das später hinter mir durchfährt. Nach 8 Seemeilen, kann ich mit zusammengekniffenen Augen erste Baumgruppen und Windräder am Horizont erkennen und auch noch deutlich größere Frachter, die noch weiter nördlich durch den Fehmarnbelt fahren. Hier ist der Revierfunk wieder recht unterhaltsam. So ziemlich jedes Schiff wird nach Tiefgang und Ziel der Reise befragt und auf die laufenden Bauarbeiten am Tunnel unter dem Belt hindurch und entsprechende Sperrzonen hingewiesen. Nach Southampton und Costa Rica soll es für einige Schiffe noch gehen und einem Schiff unter US-Flagge wünscht der Diensthabende einen „Happy Independence Day“.
Der Segler vor mir ist mittlerweile so dicht, dass ich die HANSE-typische geschwungene Welle im gerefften Großsegel erkennen kann und zu meiner Verblüffung stelle ich fest, dass das Boot in die gleiche Richtung fährt, wie ich. Es ist mir also nicht entgegengekommen, sondern ich bin die ganze Zeit aufgekommen. Mein Ehrgeiz ist geweckt. Vermutlich haben wir dasselbe Ziel. Der Wind hat inzwischen etwas gedreht, sodass ich teilweise sogar weniger als 300° fahren kann. Eine gute halbe Stunde später habe ich die Hanse überholt und halte auf die drei Hochhäuser von Burgtiefe zu. Noch etwa 7 Seemeilen. Leider flaut der Wind dann etwas ab und ich bin nur noch mit etwas über 3 ktn unterwegs. Die dunklen Wolken bringen wieder etwas mehr Wind und auch einige Tropfen mit sich und einen Dreher auf Nordwest. Nun muss ich 2 Meilen vor dem Ziel doch ein paar Wenden fahren. Die Hanse „Stine“ aus Greifswald hat ausgerefft und überholt mich auf den letzten Metern und dampft dann unter Maschine davon ins Fahrwasser.
Ich bereite in Ruhe Fender und Leinen vor und muss nun wieder eine Entscheidung treffen: Burgstaaken oder Burgtiefe?
Auf Empfehlung eines parallel fahrenden Skippers wähle ich die größere Marina Burgtiefe. 5 Stege und ein Rundsteg, zudem einige schwimmende Häuser und im Hintergrund feinste 70-er Jahre Architektur zur Urlauberintensivhaltung. Boote meiner Größe liegen hier an zwei sog. Jollenstegen, die natürlich vollständig belegt sind. Ich fahre in den Rundsteg und in jede einzelne Gasse, finde aber nur rot gekennzeichnete Plätze, die alle sehr groß sind, tw. über 5 Meter breit. Ich rufe den Hafenmeister an und frage nach kleineren Boxen, sehe aber währenddessen aus dem Augenwinkel am letzten Steg einen immer noch recht großen grünen Liegeplatz mit zwei Sorgeleinen. Nach einigem Getüddel und Hin und Her liege ich hier fest.
Die kommenden Tage ist weiter Wind der Stärke 6 aus West vorhergesagt. Zuviel für mich und vor allem zu viel, um bei Strömung unter der Fehmarnsundbrücke hindurchzukommen. Also verplempere ich wieder ein paar Tage, fahre mit dem Rad in die Stadt und zum Leuchtturm und lasse meinen Büchervorrat schrumpfen. Nun ist der grobe Plan, am Sonntag Nachmittag, wenn der Wind etwas nachgelassen hat, die Brücke zu knacken und nach Heiligenhafen zu verholen. Hoffentlich das vorerst letzte Mal in eine Riesenmarina. Von dort geht es dann je nach Wind weiter Richtung Schlei oder doch endlich nach Dänemark.