Thurø – Rudkøbing – Nyborg

Vorweg: Nun ist es schon einige Wochen her, dass ich es geschafft habe, hier etwas zu schreiben. Nicht, weil ich nichts erlebt habe oder keine Zeit hatte, weil ich zu sehr mit Segeln beschäftigt war. In der Woche zwischen der Abfahrt aus Bagenkop und den zwei Tagen in Rudkøbing gab es schlechte Nachrichten von zu Hause: meine Großeltern waren beide krank und mein Opa ist in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli im Krankenhaus verstorben. Die letzten Wochen waren also etwas schwer. Das Segeln hat mir wie immer geholfen, den Kopf frei zu kriegen, das Schreiben hingegen habe ich immer wieder aufgeschoben, weil natürlich nichts ist, wie vorher. 

Vom schönen Hafen auf Thurø trenne ich mich schon nach einer Nacht, noch vor 9 Uhr, da reichlich Wind angesagt ist, der am Nachmittag noch zunehmen soll. Die 7-8 Meilen von Thurø nach Rudkøbing fahre ich deshalb nur unter Fock und bin bei mitlaufendem Strom trotzdem zügig unterwegs. Strömung – ein Phänomen, das ich aus den Gewässern um Rügen eher weniger kenne – wird mich in den nächsten Wochen vermehrt beschäftigen. 

Unterwegs winkt man mir zu und lobt Rubin als „schicken Oldie“. Überhaupt wird meine kleine Hiddensee erstaunlich häufig in den Häfen als „dieses DDR-Boot“ identifiziert.

Hinaus aus dem Svendborgsund geht es nach Südosten, das Fahrwasser in Richtung der Brücke zwischen Tåsinge und Langeland kann ich genau anliegen und unter Segel passieren. Ein kurzer Schreck als das Segel durch die Abdeckung der Brücke einfällt und mich genau in diesem Moment direkt unter der Brücke auch noch jemand überholen muss. Dahinter der nächste Schreck: ohne die Abdeckung der Insel Tåsinge steht hier schon ganz schön Welle und wie ich mittlerweile weiß, ist Welle der Feind meines Motors. Das hatte ich irgendwie nicht auf dem Schirm. Ich versuche so weit wie möglich vor die Hafeneinfahrt zu segeln, bevor ich den Motor anwerfe. Als hätte ich es gewusst, knallt er wieder zweimal in die Welle und verstummt. Ich bin mittlerweile dicht vor der Einfahrt, muss aber noch zwei Tonnen umfahren, um mich von der Steinmole freizuhalten. Diesmal muss es schnell gehen, es bleibt keine Zeit zu Zweifeln oder Angst zuzulassen. Ich handle wie automatisch, lasse den Motor Motor sein – den kriege ich jetzt sowieso nicht so einfach wieder an – rolle einen kleinen Zipfel der Fock wieder aus und halse in die Hafeneinfahrt. Direkt hinter der Mole gibt es große Boxen, die genau zum Wind gerichtet sind. Ich mache zwei Männer auf mich aufmerksam, die kurz darauf meinen Bugkorb am Steg abfangen, sogar für eine Heckleine reicht die Zeit noch. Herzklopfen. Ich atme auf, gleichzeitig fluche ich. 

Da ich so früh schon wieder angekommen bin, bleibt genug Zeit, um Wäsche zu waschen und ein paar Kleinigkeiten einzukaufen, bevor ich am späten Nachmittag mit dem Fahrrad quer über die Insel nach Spodsbjerg fahre. Der Weg führt etwas hügelig hauptsächlich durch Felder und Wiesen. In Spodsbjerg treffe ich Kirsten und Thorsten und gemeinsam weihen wir Thorstens seit zwei Jahren durch die Gegend geschaukelten Grill ein und stellen zum wiederholten Male fest, dass kaum eine Grillwurst an die Hahn’sche grobe Bratwurst herankommt. Es wird ein schöner Abend. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit strample ich gegen Wind und Hügel zurück nach Rudkøbing. Am nächsten Tag kommen Kirsten und Thorsten mit geliehenen Fahrrädern auf die Westseite der Insel und wir essen Eis und machen einen kleinen Stadtbummel. Ich bin froh, etwas Ablenkung zu haben. 

Die Tarja-Crew wird sich am folgenden Tag langsam wieder auf den Rückweg ihres Urlaubstörns machen und für mich geht es weiter nach Norden. Es sind wieder ein paar Tage mit viel Wind vorhergesagt, daher suche ich mir einen Hafen in einer Stadt, von der ich mir erhoffe, dort einige Tage mit Landausflügen beschäftigt zu sein. Es folgt ein nahezu perfekter Segeltag. Bei achterlichem Wind geht es den Großen Belt hinauf. Mit ausgebaumter Genua komme ich erstmal nur mäßig schnell voran. Dann entscheide ich mich, etwas nach Osten anzuluven und etwas mehr Strecke in Kauf zu nehmen, dafür kann ich dann über 10 Seemeilen mit Gennaker segeln. In Sichtweite von Lohals starte ich mehrere Versuche, das bunte Segel zu halsen, aber irgendwann muss ich Schadensbegrenzung betreiben und es bergen, bevor es sich zu oft um die aufgerollte Genua gewickelt hat. Als von Süden eine dunkle Front heranrollt, in der ich Wind vermute, berge ich auch das Großsegel, doch der Wind bleibt aus, dafür regnet es tatsächlich ein bisschen. Mit Erreichen von Nyborg ist aber alles bereits wieder getrocknet. Nun beginnt die Liegeplatzsuche. Ich lege mich an Steg 0 in die erstbeste grüne Box, in die ich mit 2,84 m Breite gerade so hineinpasse. Steg 0 ist sehr weit ab vom Schuss, die Nachbarboote wirken ungepflegt und verwaist und ich habe besten Blick auf ein Kraftwerk, dessen Abgase ich nach kurzer Zeit auch schon rieche. Zu Fuß laufe ich die übrigen Stege ab und stelle fest, dass viele Plätze rot markiert oder sehr schmal sind. An einem der Stege vor dem neu errichteten Hafenkontor finde ich eine grüne Box, die breit genug sein könnte. Also lege ich wieder ab und fahre ein paar Stege weiter zu dieser Box und…bleibe stecken. Also wieder rückwärts raus und ein weiterer Versuch in einer anderen Box an einem anderen Steg. Wieder bleibe ich stecken. Mitleidig wird mir angeboten längsseits an einem anderen Boot am Kopf des Steges festzumachen, aber ich verhole mich erstmal wieder in die Box an Steg 0. Am nächsten Tag wird mir die Entscheidung, doch noch einen besseren Platz zu suchen, von einem eislutschenden Hafenmitarbeiter abgenommen, der das grüne Schild an meiner Box auf rot dreht. Wieder laufe ich über die Stege und suche nach einer freien, ausreichend breiten Box. 

Mich wundert nun nicht mehr, warum der Hafen mit den angeblich fast 800 Liegeplätzen so leer scheint: in vielen Boxen käme gerade mal ein schmales H-Boot unter, eher noch ein Kanu. Eigentlich könnte man fast jeden zweiten Pfahl ziehen, um vernünftig dimensionierte Liegeplätze zu schaffen. Schöner würde es den Hafen mit den hochmodernen Glas-Beton-Häusern im Norden aber auch nicht machen. Auch in Dänemark wohnen die Leute eben gerne am Wasser und bezahlen gut dafür. Dem Stadtbild hat man damit aber keinen Gefallen getan. Neben dem Yachthafen gibt es noch einen mittleren Hafen, in dem größere Yachten längs von einigen Schwimmstegen zwischen den modernen Bauten festmachen können und auch im alten Hafen liegen eher große Segel-und Motoryachten.

Mit etwas besserem Augenmaß finde ich an Steg 3 endlich einen Liegeplatz, direkt neben dem Mast mit dem Wlan-Verstärker. Nun habe ich Zeit mit dem Fahrrad die Stadt zu erkunden. 

Überall ist noch Deko für die Durchfahrt der Tour de France aufgebaut. In der kleinen Fußgängerzone stehen viele alte Fahrräder, die gelb, grün oder rot-weiß-gepunktet angesprüht wurden. Im Tourismusbüro erfahre ich, dass man nicht alleine auf die kleine Insel Sprogø in der Mitte der Großen-Belt-Brücke kommt und die geführten Touren dorthin bereits ausgebucht sind. Man empfiehlt mir aber den Aussichtspunkt am Fuß der Brücke.

Den nächsten Vormittag hänge ich im Hafen rum, raffe mich gegen Mittag aber auf, in die Stadt zu gehen. Ich gehe thailändisch essen und schaue mir dann das Schloss, das wegen Bauarbeiten gerade geschlossen ist, zumindest von außen an und wandere durch die Wallanlagen und entlang der Kanäle. Am folgenden Tag fahre ich mit dem Rad zum ehemaligen Fährhafen, der seit dem Bau der Großen-Belt-Brücke nun von Tauchern zum Üben benutzt wird. Die Natur hat sich die Flächen, auf denen früher die Autos Schlange standen, bereits wieder zurückerobert. Ich laufe bzw. fahre beide Molen jeweils bis zum Ende und fotografiere, es ist ein bisschen ein „Lost Place“. Dann mache ich noch einen kleinen Abstecher zum Leuchtturm Knudshoved und fahre dann zur Aussichtsplattform unter der Brücke. Ein paar Verrückte schwimmen hier in Neopren in der Strömung und versuchen mit Harpunen Fische zu fangen. Auf dem Rückweg finde ich auf der nördlichen Seite der Brücke einen schönen Strand, wo ich noch etwas in der Sonne sitze.

Mein nächster Zielhafen weiter nördlich auf Fünen ist Kerteminde. Vorher muss ich aber unter der Großen-Belt-Brücke durch und das kann je nach Strömung und Windrichtung kniffelig werden.

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