Vitte – Warnemünde

Wer ist eigentlich Caspar?

Auf Hiddensee ist es immer schön. Die Jahreszeit spielt dabei keine Rolle. Der verlassene Strand an einem stürmischen Wintertag oder der Geruch nach Gräsern, Pferden und Strandrosen im Sommer, spätestens wenn die letzte Personenfähre die Insel verlassen hat, wird es merklich ruhiger und alles ist wie immer. Hiddenseeskeptiker behaupten ja, man hätte die gesamte Insel an einem, spätestens zwei Tagen gesehen und müsse sich dann langweilen. Aber genau das macht für mich den Reiz aus. Man kann sich treiben lassen zwischen Strand und Yachthafen, das An- und Ablegen der Fähren beobachten, am Strand liegen oder laufen, durch die Dünenheide streifen, an Bord ein Buch lesen oder die Füße im Wasser baumeln lassen. Mehr braucht man doch eigentlich nicht.

Diese Punkte und die Windvorhersage waren der Grund dafür, dass es doch ein paar mehr Tage auf der Insel wurden, als anfangs angedacht. Angesagter Dauerregen (der nicht stattfand) und ein kräftiger Nordostwind, der in den Hafen stand, ließen mich daran zweifeln, dass ich es mit meinem kleinen Außenborder gut aus dem Hafen und durch das nördliche Fahrwasser auf die offene Ostsee schaffen könnte. Den Rest der Strecke bis nach Warnemünde hätte ich dann vermutlich in einigen Stunden bei Rauschefahrt abgerissen.

Mein Wunsch für meine bisher längste Einhandstrecke war ein beständiger, nicht zu starker Wind, die Richtung war mir dabei fast egal. Mit etwas konzentriertem Steuern und etwas klügerer Streckenführung hätte man es vielleicht bis Darßer Ort als Anlieger schaffen können. Ich überschlug vor Abfahrt die ungefähre Fahrzeit bei unterschiedlichen Durchschnittsgeschwindigtkeiten über die ausgezirkelten 60 sm. Im langsamsten Falle Ankunft in Warnemünde um 23 Uhr, das war aber noch viel zu optimistisch…

Ablegen mit etwas Leinenarbeit um 7 Uhr, Groß setzen in der Einfahrt des Gemeindehafens, Motor aus und vorbei am Baggerschiff nach Norden aus dem Fahrwasser. Zwei Schläge nördlich um den Dornbusch, dann der (in meinem Kopf) Anlieger nach Darßer Ort. Südlich der Ansteuerungstonne Gellen Wechsel von Fock auf Genua, mit unter 3 Knoten Fahrt wird das sonst nie etwas. Der „Anlieger“ führt mich letztlich bis gerade mal Höhe Zingst, den Rest muss ich aufkreuzen. Mit der Dimension des Greifswalder Boddens im Kopf mache ich (unnötig) lange Schläge bis fast zum Windpark EnBW Baltic 1 und komme dabei nur wenig nach Westen voran. So bin ich gegen 18 Uhr – gerade so – sehr weit nördlich von Darßer Ort und es liegen noch über 20 Seemeilen vor mir. Ab 19 Uhr nimmt der Wind merklich ab, aber immerhin kann ich jetzt etwas abfallen. Das AIS ist ausgefallen und ich gebe eine kurze Meldung an die Familie ab, dass ich unter diesen Bedingungen die Nacht durchsegeln werde. Es ist einer der längsten Tage des Jahres, wolkenloser Himmel und eigentlich bestes Segelwetter. 

Ich habe auf den Revierfunk Warnemünde Traffic umgeschaltet und kann mittlerweile die ein- und auslaufenden Fähren auch am Horizont sehen, erst die Umrisse, später sind sie hell erleuchtet. Auch nachdem die Sonne abgetaucht ist, bleibt noch lange ein orange-roter Streifen am Himmel. Ich fühle mich relativ sicher, was Begegnungen mit anderen Schiffen angeht, denn ich fahre im „inneren Bereich“, der für Schiffe größer als 20 m gesperrt ist. 

Höhe Ahrenshoop erschreckt mich ein schnaubendes Geräusch, auf den Schreck folgt Gänsehaut, denn beim zweiten Mal kapiere ich: ein Schweinswal schwimmt neugierig in meinem Kielwasser, in 2 Metern Entfernung am Heck immer hin und her, mehrfach sehe ich seine Rückenflosse auftauchen, bevor er nach ein paar Minuten zurück bleibt. 

Zwischendurch läuft das Boot wieder mit 3,5 ktn. Zu jedem Lagebericht des Revierfunks checke ich, um wieviel ich dem Zielhafen in der letzten Stunde näher gekommen bin. 

Zwischen 1 und 2 Uhr habe ich ein Müdigkeitstief und mache wieder Musik an. Das Handy muss mittlerweile an die Powerbank. Ab 2 Uhr wird es hinter mir wieder heller, während ich versuche die Molenfeuer in dem Lichtermeer in Warnemünde zu erkennen. Das rot beleuchtete Riesenrad auf der Mittelmole halte ich aus der Entfernung ebenfalls für einige Zeit für eine sonderbare Tonne. 

3 Seemeilen vor dem Ziel bummle ich noch etwas, damit es zum Einlaufen in den Hafen von Hohe Düne, in dem ich bisher erst einmal (passiv) war, noch etwas heller wird. Über dem Wasser liegt Richtung Ufer etwas Nebel. Ich rolle die Genua weg, bringe die Fender und Heckleinen aus. Bevor ich auch das Großsegel berge, werfe ich den Motor an, der schon nach kurzer Zeit wieder verstummt. Und auch nicht wieder anspringen mag, auch nicht nach einer Stunde beim zwölften Versuch. Gedanklich spiele ich durch, wie ich es bei 1 Bft unter Segeln in einen der Häfen schaffen könnte. Auch Ankern um noch mehr Zeit zum Probieren am Motor zu haben, wäre eine Option. Wer mich kennt, weiß, dass ich Option C, die Sicherheitsvariante wähle und mich von der freundlichen Crew der CASPAR „anlegen lasse“. Das ist der einzige Wermutstropfen an meinem ersten perfekt unperfekten Übernachttörn. 

69 Seemeilen in 23 Stunden von Ablegen bis Anlegen.

Ich warte bis das Hafenbüro öffnet, stelle fest, dass das happige Liegegeld eine erfrischende Dusche nicht inkludiert. Dann schlafe ich etwas. Ein Rostocker Hiddenseefreund mit Motorensachverstand ist auch schnell gefunden und so weiß ich am frühen Nachmittag, dass meinem Motor nichts Ernsthaftes fehlt. 

Ich nehme die Fähre über die Warnow und fahre zum Fotografieren eine Runde mit dem irritierenden Riesenrad. Auf der einen Seite liegt die weitläufige, steril wirkende Yachthafenresidenz, auf der anderen Seite das komplette Gegenteil, der Ortsteil Warnemünde am  mit seinen vielen kleinen Häusern, in dem sich ungeachtet von Wochentag und Ferienzeit Touristen durch die Straßen und Geschäfte schieben.

Nun müssen die nächsten Ziele abgesteckt werden, bei Ostwind sollte das nicht so schwierig werden und die Etappen auch erstmal nicht wieder so lang.                                                                               

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